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 Zu Zeiten, als die Konradsburg schon zum Kloster geworden war, lebte ein Mönch namens Marcus. Der war des Zölibats überdrüssig und war glücklich darüber, die Aufgabe erhalten zu haben, Zinsen und Frongeld einzutreiben. Auch beaufsichtigte und verwaltete Marcus die Ländereien des Stifts. Die Folge war, der Mönch kam viel herum und kannte viele Leute außerhalb der Klostermauern. Und so blieb Bruder Marcus auch nicht verborgen, dass der Stangeröder Hartung in Halle ein Handelsgeschäft betrieb.

Grafik von Lisa BergBis nach Halle, dass war zu jener Zeit eine große Entfernung und so musste der Kaufmann häufig Haus und Hof und seine schöne junge Frau allein lassen. Es ergab sich, dass der Mönch die junge Frau Hartung kennen lernte. Da sie oft einsam war, kam ihr in diesen Stunden Bruder Marcus gerade recht.

Der Mönch wollte aber, dass kein Gerede im Dorf aufkam und so besuchte er die junge Frau meist zur Nachtzeit. Hartungs Haus lag direkt am Wald. Von dort schlich er dann, nachdem er sich in ein weißes Laken gehüllt hatte, ins Haus. Dieser Wald wird heute noch Mönchsholz genannt. Im Garten angelangt, blökte er wie ein Schaf, um sich bemerkbar zu machen.

Doch den Nachbarn blieb diese gespenstische Erscheinung auf Dauer nicht verborgen. Als sich diese Erscheinungen häuften, und immer besonders dann, wenn Frau Hartung allein war, kam ein Verdacht auf. Den berichtete man dem Kaufmann, der dem Gerede zunächst keinen Glauben schenkte.

Dann beschloss er aber dem Gerücht nachzugehen. Er sagte seiner Frau, er müsse dringend nach Halle fahren und sei vor dem nächsten Abend nicht zurück zu erwarten. Dann nahm er sein Gespann und fuhr los. Aber nur bis Walbeck, dort stellte er sein Gespann ab und kehrte unbemerkt nach Stangerode zurück. Dort warteten schon einige bestellte Freunde von ihm im vereinbarten Versteckt. Lange mussten sie nicht warten, bis sie von einem lauten Blöken aufgeschreckt wurden, welches sich schnell näherte. Schon sahen sie ein in weiß gehülltes, blökendes Wesen, das sich dem Hartungschen Haus näherte.

Dann ein Gebell, in dem der Kaufmann die Stimme seiner Frau erkannte – wohl das verabredete Zeichen – und schon verschwand das weiße Wesen in seinem Haus. Die Stangeröder warteten ein Weilchen, dann überraschten sie das Paar. Was Kaufmann Hartung sah machte ihn entsetzt, denn seine junge, hübsche Frau brach die Ehe. Und dass ausgerechnet mit dem unbeliebten Zinseintreiber aus dem Kloster. Wut und Zorn kochte in den Stangerödern hoch und sie zerrten den Mönch aus dem Haus. Der konnte sich aber losreißen und rannte um Hilfe schreiend durchs Dorf. Doch Keiner half ihm. Bald schon hatten die Verfolger den Mönch eingeholt und dort, wo die Leine in die Eine fließt, erschlugen sie den Bruder Marcus mit einer Axt. Dann vergruben sie den Mönch, samt Kutte, unter einem Nussbaum in der Nähe des Dorfes.

Doch das Verschwinden von Bruder Marcus blieb im Kloster Konradsburg nicht lange unbemerkt. Seine Brüder machten sich auf, um ihn zu finden, aber sie scheiterten und beendeten die Suche. Nach etwa einem Jahr hörten die Stangeröder um Mitternacht wieder Blöken im Mönchsholz. Die Leute glaubten, dass es sich nur um den Geist des getöteten Mönchs handeln konnte. Alle hatten Furcht und keiner traute sich dem wiederkehrenden Spuk nachzugehen.

Bald erfuhren auch die Mönche von dem Spuk. Der Abt meinte einen Zusammenhang zwischen dem Spuk und dem Verschwinden ihres Bruders zu erkennen. Am Thomastag machten sich alle Mönche, mit einer Wünschelrute ausgerüstet, auf den Weg nach Stangerode. Überall suchten sie nach dem Geist, bis die Suche sie unter einen Nussbaum führte, wo die Ruten gewaltig ausschlugen. „Hier grabt, hier liegt Bruder Marcus!“ soll der Abt ausgerufen haben. Und wahrhaftig, unter dem Nussbaum fanden sie den Leichnam ihres Bruders, bekleidet mit seiner Kutte sowie die Axt, mit der er erschlagen wurde.

Alle Nachforschungen zum Mord an Bruder Marcus verliefen ohne Erfolg. Kein Stangeröder war der Übeltäter, keiner hatte etwas gesehen, keiner etwas gehört. Aber das ganze Dorf zitterte vor der Rache des mächtigen Klosters. Das schlug dem Dorf einen Sühnevertrag vor, den die Leute annahmen, denn sie hatten schlimmere Strafen gefürchtet. In dem Vertrag verpflichteten sich die Stangeröder zur Zahlung eines Kuttenzinses und die Errichtung eines Sühnekreuzes.

Jedes Jahr zum Thomastag musste fortan jedes der dreizehn Häuser des Dorfes einen silbernen Pfennig an das Kloster zahlen. Noch bis zum Jahr 1803 brachten die Stangeröder den Kuttenzins, in einer feierlichen Bußprozession, am Thomastag zum Sonnenaufgang zur Konradsburg. Für jede Minute Verspätung mussten sie eine Tonne Heringe bezahlen.

Das Sühnekreuz errichteten die Stangeröder am Zusammenfluss von Leine und Eine. Noch heute liegen die Reste, des schon vor langer Zeit zerbrochenen Sühnekreuzes, dort zwischen zwei Linden. Dieser heute nicht mehr als Kreuz zu erkennende Stein wird heute von den Stangerödern als „Mordstein“ oder „Mönchskutte“ bezeichnet.


gezeichnet von Lisa Berg

 
Sagen, Mythen und Legenden aus dem Harz, Bd. 2
Bernd Sternal (Autor), Lisa Berg (Autor + Zeichnungen)
Sagen, Mythen und Legenden - Band 2Mythen, Sagen und Legenden prägen den Harz wie kaum etwas anderes, wir begegnen ihnen auf Schritt und Tritt. Sie berichten von geschichtlichen Ereignissen oder einfach nur vom Leben der Menschen. Sie entstanden zu Zeiten, wo Schreiben und Lesen Adel und Kirche vorbehalten waren. Darum wurden sie mündlich überliefert, von Generation zu Generation.

Wir haben sie gesammelt, ihnen ein modernes Kleid geschneidert und sie farbig illustriert. Um sie zu erhalten und weiter zu überliefern, denn leider sind Erzählstunden nicht mehr all zu modern. Vielleicht gefallen ihnen ja unsere Harzer „Geschichten“ aus alter Zeit und sie erzählen sie ihren Kindern und Enkeln weiter?

Gebundene Ausgabe: 29,90 €
144 Seiten mit 42 farbigen Illustrationen

Taschenbuch: 14,99 €
144 Seiten mit 42 schwarz-weiß Illustrationen

 
 
   

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