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Titel

Da wo das Tal der Selke am tiefsten und am steilsten ist, standen in grauer Vorzeit auf hohen Felsen rechts und links zwei Burgen. Auf der einen lebte ein alter Harzkönig und auf der anderen der Ritter Luidpold, der von ferne in den Harz gekommen war. Aber beide Burgherren stammten aus einem Geschlecht, dem der Riesen.

Der Harzkönig hatte eine leibliche Tochter mit Namen Amala. Und es ergab sich, das Amala und Luidpold sich näher kamen und einander gewogen waren. Das war dem König aber nicht recht, denn er hatte für die Prinzessin schon einen anderen Gemahl erwählt. Das war ein Isländer, den der König einst von einem Kriegszug mitgebracht hatte, und der zum treuesten Vasallen des Königs geworden war.

Jeden Abend würfelte der König mit dem Isländer und der hatte dem König inzwischen Krone, Reich, Geld und Gut abgenommen, blieb aber trotzdem der bescheidene Vasall. Er hatte nur eines im Kopfe, die schöne Prinzessin Amala, die er unbedingt gewinnen wollte. Aber die mochte ihn nicht und bedrängte ihren Vater ständig, ihr zu erlauben, Luidpold zu freien. Der König aber gab seine Zustimmung nicht, denn er hatte große Angst vor seinem Vasall, dem ja in Wahrheit das ganze Königreich gehörte.

Grafik von Lisa BergDa bekam der Isländer die Nachricht, dass Feinde in seine Heimat eingefallen waren. Er machte sich auf, um mit anderen Landsleuten übers Meer zu ziehen und in seiner Heimat zu helfen, die Feinde zu vertreiben. Der alte König aber versprach ihm, wenn er zurückkehrt wird die Hochzeit gefeiert.

Kaum war der Isländer fort, als Luidpold beim König um Amala warb. Doch der wies ihn ab und sprach: „Ihr seid beide Fremdlinge und so wenig, wie die Prinzessin von hier über das Tal springen kann, eben so wenig kann ich mein Wort brechen.“. Da ritt Luidpold traurig davon.

Amala stand von da an oft am Felsrand ihrer Burg und schaute sehnsüchtig hinüber. Sie war betrübt und traurig, denn Luidpold war für lange Zeit in den Krieg gezogen. Doch eines Tages, die Sonne ging besonders schön auf, erstrahlte Luidpolds Burg in gleisendem Licht.

Amala sah es mit wehmütiger Freude, lehnte sich an eine gewaltige Tanne und begann zu singen:
„Du mächtig Haus und doch zu klein, mich schirmend zu umfassen; Wie wollt‘ ich ruhig, selig sein, könnt‘ ich zu dir gelangen.“

Da donnerte drüben die mächtige Zugbrücke herab und Luidpold trat aus seiner Burg. Laut rief er zu Amala hinüber: „Ich hörte dich singen, komm, du sollst die Meine werden“. Da vergaß die Prinzessin Vater, Mutter und alle Gefahr, nahm einen großen Anlauf und flog mit einem gewaltigen Sprung über das Tal, direkt in die Arme des Geliebten. Der trug sie in seine Burg und ließ Brücke und Tore schließen.

Der alte König aber kochte vor Wut und schwor Rache und Verderben. Aber kurze Zeit später kam die Kunde vom Tod des Isländers, der im Kampf gefallen war. Das kam dem König nicht ungelegen, denn nun konnte er das Königreich wieder sein eigen nennen. Und auch an sein Versprechen war er nicht mehr gebunden. Auf Bitten der Königin versöhnte er sich mit Tochter und Bräutigam.

Bald darauf starb der alte König und Luidpold wurde der König des Harzes. Alle seine Nachkommen staunten über den Mut und den gewaltigen Sprung des Riesenfräuleins Amala, deren Fuß sich tief in den Stein eingedrückt hatte.

Noch heute kann man den gewaltigen Fußabdruck im Gestein des Selketals sehen. Der Ort des Geschehens erhielt den Namen „Mägdesprung“.


gezeichnet von Lisa Berg

 
Sagen, Mythen und Legenden aus dem Harz, Bd. 2
Bernd Sternal (Autor), Lisa Berg (Autor + Zeichnungen)
Sagen, Mythen und Legenden - Band 2Mythen, Sagen und Legenden prägen den Harz wie kaum etwas anderes, wir begegnen ihnen auf Schritt und Tritt. Sie berichten von geschichtlichen Ereignissen oder einfach nur vom Leben der Menschen. Sie entstanden zu Zeiten, wo Schreiben und Lesen Adel und Kirche vorbehalten waren. Darum wurden sie mündlich überliefert, von Generation zu Generation.

Wir haben sie gesammelt, ihnen ein modernes Kleid geschneidert und sie farbig illustriert. Um sie zu erhalten und weiter zu überliefern, denn leider sind Erzählstunden nicht mehr all zu modern. Vielleicht gefallen ihnen ja unsere Harzer „Geschichten“ aus alter Zeit und sie erzählen sie ihren Kindern und Enkeln weiter?

Gebundene Ausgabe: 29,90 €
144 Seiten mit 42 farbigen Illustrationen

Taschenbuch: 14,99 €
144 Seiten mit 42 schwarz-weiß Illustrationen

 
 
   

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