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Am östlichen Ende des Domplatzes von Halberstadt liegt ein großer, flacher Stein, den man heute als Opferstein aus vorchristlicher Zeit ansieht. Von diesem Stein und einem einstmals dicht daneben stehenden Wirtshaus, mit dem Namen Domkeller, erzählt man sich folgende Sage:

Einst war Hildegrim der erste Bischof von Halberstadt und er legte den Grundstein für die Domkirche. Dazu ließ er viele geschickte Handwerker herbeirufen und schnell schritt der Bau voran.

Als der Teufel die Mauern sah, nahm er an, dass dort ein großes Wirtshaus gebaut werden sollte. Das erfreute ihn sehr und so nahm er sich vor den Handwerkern zu helfen und schleppte jede Nacht große Steinmassen herbei, um so heimlich zum Bau der Mauern einen Beitrag zu leisten. Zwar wunderten sich der Baumeister und seine Gesellen, dass die Arbeit so flott voran ging, keiner ahnte aber den wahren Grund. Eines Nachts, als der Bau schon ziemlich weit fortgeschritten war, kam der Teufel und wollte sich das Innere des „Gasthauses“ ansehen. Groß war sein Schreck und noch größer seine Wut, als er erkannte, dass es eine Kirche werden sollte. Der Teufel ärgerte sich furchtbar über seine Dummheit, an solch einem Bau geholfen zu haben.

Grafik von Lisa Berg

Als am nächsten Morgen die Gesellen ihre Arbeit begannen, bemerkten sie mit Schrecken hoch oben auf der Mauer den Teufel, der einen riesigen Felsblock in den Händen hielt. „Seht“ rief er zu ihnen hinab, „ weil ich glaubte, ihr baut ein Wirtshaus, habe ich euch heimlich geholfen. Jetzt aber, da ich weiß dass meine Arbeit nicht ihren Zweck erfüllt, zerschmettere ich euren ganzen Bau und begrabe euch unter den Trümmern!“
Alle schauten entsetzt und stumm vor Schreck nach oben. Dann aber trat ein mutiger Geselle nach vorn und rief: „Wenn du hier nun einmal ein Wirtshaus haben willst, so wollen wir deinen Wunsch erfüllen und dir eine Schenke dicht neben dem Dom bauen. Bist du dann zufrieden und lässt uns am Leben?“.

Dieses Angebot war dem Teufel recht. Damit die Handwerker aber an ihr Versprechen denken sollten, schleuderte er den riesigen Fels auf den Domplatz. Da liegt er bis heute, ja man kann in ihm sogar noch die Vertiefungen sehen, die seine glühenden Daumen hinein gedrückt haben. Neben dem Dom errichtete man dann wirklich ein Wirtshaus. Das hatte mächtige Keller und wurde daher Domkeller genannt. Damit war der Wunsch des Bösen erfüllt und der Dom konnte glücklich vollendet werden. 1860 ist der Domkeller dann aber abgebrochen worden. Den riesigen Felsen auf dem Domplatz nennt man noch bis heute Teufels- oder Lügenstein.


gezeichnet von Lisa Berg

 
Sagen, Mythen und Legenden aus dem Harz, Bd. 4
Bernd Sternal (Autor), Lisa Berg (Autor + Zeichnungen)
Sagen, Mythen und Legenden - Band 4Unser vierter Band schließt nahtlos an die Sagen, Mythen und Legenden der drei vorherigen Bände an. Es ist schon erstaunlich, wie viele dieser literarischen Relikte die Zeit überdauert haben. Das zeugt davon, wie wichtig es den Menschen in alter Zeit war, diese „Geschichten“ für ihre Nachwelt zu erhalten. Heute, in unserem Informationszeitalter, ist es eher unüblich noch Geschichten zu erzählen oder vorzulesen. Daher sind viele der alten Überlieferungen auch weitgehend in Vergessenheit geraten. In diesem und den noch folgenden Bänden werden wir sie wieder zum Leben erwecken – natürlich wie gewohnt, mit wunderschönen Zeichnungen von Lisa Berg. Übrigens, zahlreiche dieser Harzer Sagen, Mythen und Legenden waren auch Inspiration für einige bekannte Volksmärchenautoren wie die Brüder Grimm, Ludwig Bechstein, Ernst Moritz Arndt und Hans Christian Andersen.
Gebundene Ausgabe: 29,99 €
144 Seiten mit 56 farbigen Illustrationen

Taschenbuch: 14,99 €
144 Seiten mit 56 schwarz-weiß Illustrationen

 
 
   

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